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Groteske um Justizreform

PR dla Zagranicy
Joachim Ciecierski 19.07.2017 12:45
Der Streit um die Justizreform dauert an. Der Parteianführer der Recht und Gerechtigkeit (PiS) verliert seine stählernen Nerven. Der Staatspräsident versucht seine eigene Initiative durchzusetzen. Die Opposition ruft zu Protesten auf.
Foto: Pexels.com

Wprost: Krawalle im Parlament

"Wischen Sie sich nicht Ihre Verrätermäuler am Namen meines in heiliger Erinnerung bleibenden Bruders ab", rief am Dienstagabend der Chef der regierenden Partei PiS. „Sie haben ihn zerstört, ermordet. Sie sind Schurken“, beschimpfte Jarosław Kaczyński die Opposition.

Danach kam es zu einem Gerangel zwischen Abgeordneten der zwei größten Parteien im polnischen Parlament - berichtet das Internetportal des Wochenmagazins Wprost. Nach den vulgären Worten von Kaczyński und der Auseinandersetzung einiger Politiker hat das polnische Parlament gestern in der Nacht seine Debatte über die umstrittene Justizreform vertagt.

Rzeczpospolita: Der Präsident widersetzt sich der PiS

Die Regierungspartei (PiS) kann die Möglichkeit die Gerichte eigenständig neu zu besetzen verlieren. Das ist der Effekt der unerwarteten Aktion des Staatspräsidenten Andrzej Duda, schreibt Wiktor Ferfecki in der Rzeczpospolita.

Der Moment der größten Emanzipation des Präsidenten seit seinem Amtsantritt erfolgte am Dienstag und dauerte vier Minuten. „Ich bin damit einverstanden, dass die Reform des Nationalen Gerichtsrates (KRS) nötig ist. Ich bin davon überzeugt, dass eine Reform des Obersten Gerichtshofes ebenfalls notwendig ist. Aber diese Reform sollte in Ruhe und mit Bedacht durchgeführt werden“, sagte der Präsident und fügte hinzu: „Ich habe heute beim Parlamentssprecher einen Gesetzentwurf eingereicht und somit das Vorrecht des Präsidenten zur Gesetzesinitiative ausgenutzt. Das Gesetz führt eine Änderung im bisherigen Gesetz über den Nationalen Gerichtsrat ein und besteht aus zwei Vorschriften, in denen ausdrücklich gesagt wird, dass die Mitglieder des neuen Vorstandes vom Parlament mit einer Mehrheit von 3/5 gewählt werden.“

Der Präsident erklärte zusätzlich, dass, wenn das Projekt nicht genehmigt wird, so wird er gegen das neue Gesetz über den Obersten Gerichtshof sein Veto einlegen. Das durchkreuzt die Pläne von der PiS vollständig – schreibt die Rzeczpospolita.

Was bedeutet die Auswahl der Mitglieder des Nationalen Gerichtsrates durch eine Mehrheit von 3/5 der Abgeordneten? Einen Einfluss auf die Besetzung der Gerichte, einschließlich des Obersten Gerichtshofs, kann die regierenden PiS jetzt nur erzielen, wenn sie insgesamt 276 Abgeordnete für die neue Gesetzgebung gewinnt. Ohne die Opposition, also die PO, Nowoczesna, die polnische Volkspartei PSL und die Union der Europäischen Demokraten hat der Sejm 277 Abgeordnete. All diese Stimmen muss PiS jetzt erhalten.

Deutsche Welle: Deutsches Parlament hat größeren Einfluss auf die Justiz als in Polen

Einige konservative polnische Internetportale berufen sich auf ein Interview der Deutschen Welle mit der deutschen Juristin und Expertin für Fragen der richterlichen Unabhängigkeit Anne Sanders, unter dem Titel "Der demontierte Rechtsstaat", und werfen ihr vor, das sie das deutsche Rechtsystem mit unverhohlener Überlegenheit über das Polnische erhebt.

In dem Interview sagt sie, dass die polnische Regierung bisher in kleinen Schritten den Rechtsstaat auseinandergenommen hat. In Deutschland werden Richter des Obersten Gerichtshofes auf Bundesebene von einem Komitee ernannt, das sich aus Bundestagsabgeordneten und Landestagsministern zusammensetzt. Sie wählen die Richterkandidaten, die später vom Justizminister ernannt werden.

„Ich weiß jetzt, was Sie sagen werden, dass auf diese Weise in Deutschland die Regierung und das Parlament einen noch größeren Einfluss hat. So ist es in der Tat“, gibt Anne Sanders im Interview zu und ergänzt: “Es ist daher nicht seltsam, wenn die polnische Regierung argumentiert, dass ihre Reform an das Modell der geltenden Vorschriften in Deutschland anlehnt.“

Die Juristin äußert dann aber sofort ihren Vorbehalt dazu, dass „dieses System in Deutschland schon seit langer Zeit funktioniert. Dadurch hat sich ein Mechanismus der Kontrolle und des Gleichgewichts gebildet, welcher es den Richtern erlaubt in ihrer Arbeit unabhängig zu bleiben. Darüber hinaus gibt es in Deutschland so etwas, was man Unabhängigkeitskultur nennen kann“, argumentiert die Juristin.

Piotr Siemiński

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