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Jacek Saryusz-Wolski: Polen wird von "Eurorassisten" angegriffen

PR dla Zagranicy
Joachim Ciecierski 29.09.2017 17:46
Der Grund für die heutigen Probleme der europäischen Gemeinschaft liegt in dem Verzicht auf die christlichen Wurzeln Europas, meint der konservative EU-Abgeordnete.
Jacek Saryusz-WolskiJacek Saryusz-Wolski

Das Interview mit dem EU-Abgeordneten Jacek Saryusz-Wolski ist in der aktuellen Ausgabe der konservativen Zeitung "Gazeta Polska" erschienen. Der promovierte Wirtschaftswissenschaftler gehört seit 2004 der EVP-Fraktion im Europaparlament an.

Gazeta Polska: In den letzten Tagen arbeitet die Europäische Kommission intensiv daran, einen Wechsel der polnischen Politik in sehr unterschiedlichen Bereichen zu erzwingen. Ist dies ein Versuch, einen Mechanismus zu schaffen, um ungehorsame Ländern in die Knie zu zwingen?

Jacek Saryusz-Wolski: Hinter dieser Intensivierung der Kritik steht Frans Timmermans und ihm Gleichgesinnte, die eine Verpflichtung zum linken, ideologischen Kreuzzug gegen Polen fühlen und von der westeuropäischen Überlegenheit gegenüber dem rückständigen Mitteleuropa überzeugt sind. Diese Differenzierung, in der Ausführung meiner sozialistisch-kommunistischen Kollegen und EU-Abgeordneten, habe ich als „Eurorassismus“ bezeichnet. Dafür wurde ich sehr harsch kritisiert.

GP: Was ist Eurorassismus?

JSW: Es ist ein alter, historisch verwurzelter Glaube und zugleich Vorurteil gegen den "minderwertigen" Teil Europas, der einen Ansatz für ideologische Kreuzzüge und die Diskriminierung erlaubt, denen wir jetzt ausgesetzt sind. Einige EU-Politiker hören auf die Bezichtigungen der Opposition gegen das eigene Land und nehmen das für bare Münze oder sind einfach zu leichtgläubig, ignorant oder gar schlecht gesinnt. Der hier erwähnte Timmermans hat bei einer scharfen, wörtlichen Auseinandersetzung mit mir, als er keine Argumente mehr hatte, gesagt: "Aber Lech Wałęsa hat mir das gesagt." Darüber hinaus kann man in einigen Fällen zur Schlussfolgerung kommen, dass die Europäische Kommission als Argument lediglich leeres Gedankengut ohne tatsächlichen Inhalt verkündet.

So ist es zum Beispiel mit den Einwänden der Europäischen Kommission zum Gesetz über das polnische Gerichtswesen, oder über die Differenzierung des Rentenalters für Frauen und Männer.

Die Europäische Kommission erinnert an den Artikel 157 des EU-Vertrags, wonach die Löhne für Männer und Frauen nicht unterschiedlich festgelegt werden sollten. Nur das diese Renten keine Gehälter sind. Darüber hinaus erklärt Art. 153 ausdrücklich, dass die ausschließliche Zuständigkeit für Sicherheitssysteme bei den Mitgliedstaaten liegt und gegenüber der Gleichstellungsrichtlinie 2006/54, die von der Europäischen Kommission aufgerufen wurde und, um ehrlich zu sein, die nicht zurückgezogene Gleichstellungsrichtlinie 79/7 überschreitet, Vorrang hat. Natürlich wird die ganze Angelegenheit vom Europäischen Gerichtshof geregelt.

Meines Erachtens allerdings, handelt es sich bei den Tätigkeiten der Kommission um fälschliche Intentionen, die Überinterpretation und den Gesetzesmissbrauch für politische Zwecke, was in Polen einst als interessenbezogene Gesetzgebung bezeichnet wurde, als eine Hetzjagd gegen ein Land, das in der EU subjektiv behandelt und nicht aus ideologischen Gesichtspunkten gelehrt werden will, wobei versteckte Absichten im Hintergrund liegen.

GP: Was für Intentionen sind das?

Es gibt Versuchungen die große Erweiterung der Europäischen Union von 2004 rückgängig zu machen, also die Erweiterung der EU auf Mitteleuropa umzukehren und zu dem kleinen, alten, gemütlichen „karolingischen“ Europa zurückzukehren. Solche Bestrebungen manifestiert zum Beispiel Präsident Emmanuel Macron in seinen Postulaten, die die Trennung der "kleinen EU" auf der Grundlage des Euro-Währungssystems und der Schaffung einer Union der zwei Geschwindigkeiten voraussehen. Es geht darum, um es in der Eisenbahnsprache zu schildern, die Wagons der zweiten Klasse aus dem Zug zu koppeln, ohne aber die Märkte zu verlieren und nur die Finanzierung zurückziehen.

Der Grund für die heutigen Probleme der europäischen Gemeinschaft liegt in dem Verzicht auf die christlichen Wurzeln Europas, die Pläne der originellen EU-Gründer wie Schuman, De Gasperi, Monnet sowie Anregungen, wie man die Beziehungen zwischen den EU-Mitgliedern durch eine kleinpolitische Solidaritätspolitik und nicht durch ideologisch verschärfte Projekte erzielen kann.

Ab einem bestimmten Punkt brach man mit dieser Idee zugunsten großer und chaotischer Sprünge, die von Eliten ausgedacht wurden, aber bei der Bevölkerung weder auf Unterstützung noch soziales Verständnis trafen. Die Rückkehr zu den Wurzeln Europas und die demokratische Anhörung der Stimmen der Bürger ist ein Weg, um die Krise zu überwinden. Leider haben wir es derzeit mit einer wörtlichen Auseinandersetzung zwischen Ländern, Institutionen und Fraktionen in der Union zu tun, mit der Absicht ideologisch motivierte Entscheidungen zu erzwingen, ohne das Entscheidungsrecht einzelner Länder zu respektieren und die Vielfältigkeit der Ansichten in der Union zu akzeptieren, die mit dem Motto aus der Präambel des Vertrages "in Vielfalt vereint" im Einklang stehen sollten.

GP: Was für eine Zukunft steht somit vor der EU?

Es gibt zwei Möglichkeiten. Eine ist die ausschließlich scheinbare Flucht nach vorne, vorausgesetzt, dass die Schwächeren zuerst stigmatisiert, diskriminiert und dann untergeordnet oder sogar möglicherweise vom Schlitten geworfen werden. Es könnte versucht werden unangenehme EU-Länder aus der EU zu verdrängen, die sich dem ideologischen Diktat nicht unterwerfen wollen.

Das zweite Szenario ist die Rückkehr zu den Wurzeln Europas, einer EU-Gewerkschaft, die in ihrer Vielfalt vereint ist. Das war das beste europäische Projekt, das Europa über das Jahrtausend hinweg getroffen hat und dem Kontinent seit mehr als einem halben Jahrhundert Frieden und Wohlstand brachte; und Polen einen würdigen Platz in der europäischen Familie.

Aus der Rhetorik der Regierung und der polnischen Ministerpräsidentin Beata Szydło geht deutlich hervor, dass Polen gerade zu dieser zweiten Idee geneigt ist. Es scheint, dass vielleicht uns Polen die Rolle jener zukommt, die die Europäische Union vor der Selbstzerstörung verteidigen werden, die im Namen von ideologischen Projekten, die von der allgemeinen Bevölkerung auf keine Unterstützung treffen, unternommen wird.

Ins Deutsche übersetzt von Piotr Siemiński

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