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Geschichtspolitik auf dem Prüfstand

PR dla Zagranicy
Joachim Ciecierski 19.02.2018 13:13
Spezielle Erklärungen, Gespräche auf der höchsten Ebene und neue politische Konflikte.
Foto: Pexels.com

Rzeczpospolita: Ministerpräsident eskaliert Krise

Spezielle Erklärungen, Gespräche auf der höchsten Ebene und neue politische Konflikte. Das ist in Kürze die Bilanz des vergangenen Wochenendes, schreibt in der heutigen Ausgabe die konservative Tageszeitung Rzeczpospolita. Alles, lesen wir weiter im Blatt, nach der Aussage von Ministerpräsident Mateusz Morawiecki, der auf die Frage eines israelischen Journalisten zum umstrittenen Gesetz zum Institut des Nationalen Gedenkens die Bezeichnung “jüdische Täter” im Zusammenhang mit dem Zweiten Weltkrieg genutzt habe. Die diplomatische Krise rund um die Gesetzesnovelle, betont das Blatt, sei weit von einem Ende entfernt. Im Gegenteil: Sie eskaliere gerade auf eine nächste Stufe. Nur das Verfassungsgericht sei nun im Stande, den Konflikt zu lösen. Es bleibe jedoch offen, wann sich die Verfassungshüter dem Gesetz widmen werden, lesen wir im Blatt.

Rzeczpospolita: Geschichtspolitik auf dem Prüfstand

Als vor 20 Jahren sich die Geschichtspolitik in Polen formierte, ging es vor allem darum, die politische Gemeinschaft des Landes kurz nach der Wiedererlangung der Unabhängigkeit zu stärken, schreibt in seinem Autorenkommentar für die Rzeczpospolita der Politologe Marek Cichocki. Heute sei dem jedoch leider nicht mehr so. Immer häufiger werde die Geschichtspolitik als Instrument des politischen Kampfes und als Methode missbraucht, die eigene Wählerschaft zu mobilisieren und Gegner anzuprangern.

Statt die gemeinsame Identität zu stärken, so der Autor, gerate die Geschichtspolitik damit zunehmend zu einem Schlachtfeld. Und die Schlacht habe nun leider auch die polnische Außenpolitik erfasst. Statt mit der polnischen Geschichtsperspektive akademische Kreise und Politiker zu erreichen, konzentriere sich Polen immer mehr auf einer Politik der Reaktion, Intervention und Verteidigung. Zudem nutze die Regierung dazu primitive juristische Mittel, wodurch Polen in den Augen seiner Partner schwach und verängstigt erscheine.

Und nun, so Cichocki, sehe es danach aus, dass die Regierung entschieden habe, den polnischen Kampf um Erinnerung in Europa auf einem Feld zu führen, auf dem Polen nicht gewinnen könne. Eigentlich sei die Intention gewesen, die Europäer über den Völkermord während der deutschen Besatzung in Polen aufzuklären. Stattdessen seien wir nun mitten in einen Konflikt mit Israel über die Rolle und Bedeutung des Holocausts in der europäischen Nachkriegsgeschichte geraten. Wenn das die polnische Geschichtspolitik sein soll, dann müsse man klar sagen, dass sie ein Schlag ins Wasser sei - sie sollte uns stärken, stattdessen schwäche sie Polen, so Marek Cichocki in der Rzeczpospolita.

Gazeta Polska Codziennie: Angriff auf Morawiecki

Die nationalkonservative Tageszeitung Gazeta Polska Codziennie schreibt indes im selben Kontext auf ihrer Titelseite über einen “Angriff auf Morawiecki” und widmet dem eskalierenden Konflikt mit Israel die ersten zwei Seiten ihrer heutigen Ausgabe. Publizistin Joanna Lichocka prangert in ihrem Kommentar diejenigen an, die sich als konservativ bezeichnen und der Regierung nun, bei ein wenig Widerstand aus dem Ausland, den Rücken kehren. “Schon seit Smoleńsk”, so Lichocka, “weiß man ungefähr schon, auf wen man zählen kann und wer dem Druck bestimmt nicht standhält”.

In einem ausführlichen Artikel zum Streit zitiert die Zeitung zusätzlich auch die Regierungserklärung zum Konflikt, in dem das Kabinett Morawiecki betont, dass “die Aussage von Ministerpräsident Morawiecki in keiner Weise der Negation des Holocausts oder der Belastung der jüdischen Opfer mit der Verantwortung für den deutschen Völkermord dienen sollte.” Im Gegenteil - Premierminister Morawiecki, lesen wir im Dokument, habe mehrmals und dezidiert gegen die Negation des unvorstellbaren Völkermordes protestiert. “Ich glaube, dass Mateusz Morawiecki unbestreitbar recht hat und dass wir ihn unterstützen sollten”, betont im Interview mit dem Blatt der rechtskonservative Politologe Jerzy Targalski. “Von seinem Sieg hängt der Sieg Polens ab. (…) In diesem Moment muss, wer Pole ist, ihn unterstützen und zwar vor allem mit Taten”, zitiert das Blatt Jerzy Targalski.

Adam de Nisau

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