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Heißer Krieg im Netz

PR dla Zagranicy
Joachim Ciecierski 20.11.2017 12:23
Der Kreml weitet seine Cyber-Attacken gegen den Westen aus und Tusks Tweet sorgt für Wirbel in der Innenpolitik.

Rzeczpospolita: Heißer Krieg im Netz

Der Kreml weitet seine Cyber-Attacken gegen den Westen aus, berichtet heute auf ihrer Titelseite die konservative Tageszeitung Rzeczpospolita. Und der Westen, so das Blatt, entdecke erst jetzt, wie sehr die neuen russischen Cyberwaffen seine Interessen gefährden.

In Großbritannien wolle das Parlament ermitteln, inwieweit Moskau den Ausgang des Brexit-Referendums beeinflusst hat. “Ich habe eine simple Nachricht an Russland: Wir wissen, was ihr macht. Ihr werdet nicht gewinnen”, warnte in diesem Zusammenhang neulich Ministerpräsidentin Theresa May.

Die spanische Regierung, so das Blatt weiter, habe soeben verstanden, dass hinter der Propaganda, die einen großen Teil der Weltöffentlichkeit zu den Argumenten der katalanischen Separatisten überzeugt habe, niemand anderer als Moskau stehe.

In den USA sei Staatsanwalt Robert Mueller auf der Zielgeraden mit seinen Ermittlungen zum Einfluss Russlands auf Trumps Wahlsieg, unter anderem dank der Verbreitung von schwarzem PR gegen Hillary Clinton. Dieselbe Strategie hätten auch die Franzosen verspüren können, als im Mai dieses Jahres Marine Le Pen versucht habe, die Macht im Elysee-Palast zu übernehmen.

Russlands Strategie im virtuellen Raum, so die Rzeczpospolita, ruhe auf zwei Säulen: Auf der einen Seite verbreite der Kreml via Social Media, Meinungsbildner und befreundete Portale Fehlinformationen. Auf der anderen Seite würden Hacker strategische Informationen übernehmen oder versuchen, für Staaten wichtige Kommunikationsnetze lahmzulegen.

Russische Hacker seien auch in Polen extrem aktiv: Allein im vergangenen Jahr hätten sie 2,5 Millionen Attacken auf polnische Ziele durchgeführt. Verteidigungsminister Antoni Macierewicz habe in diesem Kontext in Kanada statt von einem kalten Krieg, vom Beginn eines sehr heißen Kriegs gesprochen. Der EU-Rat bereite eine Deklaration vor, die “die ernsthafte Attacke Russlands im Cyber-Raum” als einen Kriegsakt auch in der realen Welt bezeichnet.

Der Westen, so das Fazit der Rzeczpospolita, habe viel Zeit verloren und den Einzug russischen Kapitals und russischer Oligarchen in solche Firmen, wie Facebook oder Twitter zugelassen. Erst Ende Oktober hätten die USA der eigenen Administration die Nutzung von Software des russischen Anbieters Kaspersky verboten, der dem Kreml viele strategische Informationen habe vermitteln können.

“Es wird kein einfacher Kampf sein, denn es gibt nicht eine zentrale Institution in Russland, die es zu besiegen gilt. Putin gibt dem Kampf im Internet nur die allgemeine Richtung vor”, prognostiziert der mit der amerikanischen Rand Corporation verbundene Russlandexperte Samuel Charap im Interview mit der Rzeczpospolita.

Gazeta Wyborcza: PiS sollte Tusks Diagnose überdenken

Stichwort Russland. Wichtiges Thema in den Tageszeitungen ist auch der gestrige Twitter-Eintrag von EU-Ratschef und Ex-Premier Donald Tusk. Tusk hatte im Kurznachrichtendienst geschrieben (Zitat): “Alarm! Scharfer Konflikt mit der Ukraine, Isolation in der EU, die Abkehr von der Rechtsstaatlichkeit und der Unabhängigkeit der Gerichte, Attacke auf den Nichtregierungs-Sektor und freie Medien - Strategie der PiS oder Plan des Kremls? Zu ähnlich, um ruhig zu schlafen.” (Zitat-Ende).

Mit diesem Eintrag habe Tusk nur das laut geäußert, wovon viele schon seit langem flüstern, schreibt dazu in seinem Autorenkommentar für die linksliberale Tageszeitung Gazeta Wyborcza Publizist Bartosz Wieliński. Eine Bilanz der Amtszeit der Regierung Szydło sei eigentlich die Pflicht der Opposition, doch diese schweigt. Und der einzige polnische Politiker, der immun gegen die Attacken der Regierungspartei sei, sei derzeit offenbar Donald Tusk. Und seine Diagnose sollte man auf jeden Fall ernsthaft überdenken. Denn sei es nicht wahr, dass derjenige, der am meisten vom polnisch-ukrainischen Konflikt um die Geschichte profitiere, Russland heiße? Dass der Image-Verlust Polens und die Isolation des Landes in der EU besonders Moskau freue, da damit ein Gegner verschwinde, der noch vor Kurzem imstande war, ganz Europa gegen den Kreml zu mobilisieren. Und dass Polen ohne unabhängige Gerichte und freie Medien mehr an Putins Russland erinnere, als an westeuropäische Demokratien, fragt der Publizist der Gazeta Wyborcza Bartosz Wieliński.

Rzeczpospolita: Tusk wieder im Spiel

Der Twitter-Eintrag des EU-Ratschefs sei ein deutliches Signal, dass Tusk wieder in die polnische Politik einschreitet, beobachtet der Kommentator der konservativen Rzeczpospolita Michał Szułdrzyński. Das sei keine gute Nachricht für die PiS, aber eine noch schlechtere für Bürgerplattform-Chef Grzegorz Schetyna und den Vorsitzenden der Nowoczesna-Partei Ryszard Petru. Denn Tusks’ Tweet könne man auch als symbolische Übernahme der Führungsrolle in der Opposition verstehen. Damit gewinne die Opposition zwar wieder an Stärke, die Oppositionsführer hätten aber gleichzeitig gute Gründe, um um ihre Position zu bangen. Und Tusk habe den Rubikon überschritten: Ab jetzt werde jede seiner Aussagen über Polen auch als Äußerung eines potentiellen Oppositionsführers interpretiert werden. “Dieser kurze Beitrag ändert wirklich viel in der polnischen Politik”, so Michał Szułdrzyński in der Rzeczpospolita.

Gazeta Polska Codziennie: Pentagon kontra Tusk

Die regierungsnahe Tageszeitung Gazeta Polska Codziennie erinnert indes in der heutigen Ausgabe an die Entscheidungen der Regierung, die in Widerspruch mit Tusks These stehen.

“Wenn ich richtig verstehe, ist die Stationierung von Patriot-Raketen und amerikanischer Soldaten in Polen auch eine Realisierung der Pläne des Kreml”, schreibt in seinem Kommentar der Publizist Piotr Lisiewicz. Putin, so Lisiewicz, habe wohl auch von nichts anderem geträumt, als von der Liquidierung des Geheimdienstes WSI von Marek Dukaczewski und der Untersuchungskommission zur Smolensk-Katastrophe von Verteidigungsminister Antoni Macierewicz, der, wenn es nach Tusk gehe, ein “russischer Agent” sei.

Die Gegner von Macierewicz, so Lisiewicz, würden dem Verteidigungsminister gerne Wahnsinn vorwerfen. Doch seiner Meinung nach gehören stattdessen sie in Sicherheitswesten. Natürlich nur, wenn man von deren ehrlichen Intentionen ausgehe, wovon im Falle von, so wörtlich, “Herrn Tusk” nicht die Rede sein könne, so Lisiewicz in der Gazeta Polska Codziennie.

Autor: Adam de Nisau

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