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Politisches „weder noch”

PR dla Zagranicy
Joachim Ciecierski 16.01.2017 08:27
Wohin wollen die Regierung und die Opposition Polen führen?
Foto: Pexels.com

PLUS MINUS: Politisches „weder noch”

Die Schauspielerin Joanna Szczepkowska nimmt in der neuen Ausgabe der Wochenzeitschrift Plus Minus eine in den letzten Monaten in den öffentlichen Debatten in Polen selten vertretene Stellung ein – sie distanziert sich sowohl von dem Regierungslager als auch von der Opposition. Jahrelang sei sie der Ansicht gewesen, dass die aktive EU-Mitgliedschaft eine absolute Priorität der polnischen Außenpolitik sein sollte. Sie habe beobachtet, wie sich das Land mit Hilfe der EU-Gelder entwickelt. Sie sei darauf stolz gewesen, wie sich das Land verändert habe. Sie habe in den vergangenen Jahren ihre Stimme ohne Augenzwinkern für die damalige Regierungs- und jetzige Oppositionspartei Bürgerplattform PO abgegeben. Doch nach und nach habe sich die politische Wirklichkeit immer mehr verzehrt – immer spürbarer wurden: die Dominanz der Sexualität, der zynische Blick auf den Patriotismus, das Ausweichen vor schwierigen Themen. Das Wort Toleranz legte den freien Meinungsaustausch lahm. Die Debatte und die Kritik habe man zensiert, zählt Joanna Szczepkowska die politischen Missstände der letzten Jahre auf.

Sie wehre sich gegen die Politik der neuen Regierung in Warschau. Sie verstünde den brutalen und provokativen Stil der Regierenden nicht, da sie doch über eine absolute Mehrheit im Parlament verfügen. Doch die Opposition zu unterstützen könne sie nicht, gibt Szczepkowska zu. Welche Alternative biete die Opposition im Grunde genommen an? Die Oppositionsparteien seien im permanenten Konflikt, es sei aber vielmehr ein Kampf der Alpha-Männchen, und nicht ein Streit um den künftigen Entwicklungsweg für Polen.

Wohin wolle die Opposition das Land eigentlich führen, fragt die Publizistin und fordert eine klare Antwort auf ihre Frage. In Anbetracht solcher Herausforderungen, wie die Terrorgefahr, der Rüstungswettkampf und die Migrationskrise hänge diese Frage einfach in der Luft, schreibt Szczepkowska in der Wochenzeitschrift Plus Minus.

DZIENNIK/GAZETA PRAWNA: Die Struktur ist zweitrangig

Vor wenigen Tagen setzte Polens Präsident Andrzej Duda seine Unterschrift unter die Schulreform. Die angekündigte Bildungsreform stößt auf heftigen Widerstand eines Teils der polnischen Opposition sowie des Verbandes der Polnischen Lehrer (ZNP). Mehrere Lehrerverbände kündigten bereits Proteste an. Die Oppositionsgruppierungen wollen nun Unterschriften unter einem Antrag auf einen Volksentscheid über die Bildungsreform sammeln. Zu spät, meint die Publizistin der Tageszeitung Dziennik/Gazeta Prawna Anna Wittenberg. Sei es den oppositionellen Politikern tatsächlich viel an der Zukunft der polnischen Schulen gelegen, sollten sie sich vor allem an konstruktiver Kritik konzentrieren. Proteste würden gar nichts bringen, meint Wittenberg.

Zumal, dass die geplante Reform nicht das größte Problem der polnischen Schulen sei. Das öffentliche Schulwesen sehe weltweit ähnlich aus. Es ähnele vielmehr einer Schülerfabrik als einer Lehranstalt, die das Potenzial der Schüler diagnostizieren und fördern sollte. Es wäre an der Zeit, das Paradigma zu ändern. Die Schulen müssten endlich beachten, dass die Kinder verschieden sind, und das eigentliche Ziel des Lehrprozesses sei, die Neugierde der Kinder zu erwecken. Das Umdenken koste aber viel Geld, deshalb dominiere in den meisten öffentlichen Schulen der Welt das veraltete System der Massenproduktion von Schülern – denn der unangefochtene Vorteil des Systems sei seine Billigkeit, schreibt die Publizistin und warnt zugleich, dass diejenigen, die das polnische Schulsystem gründlich reformieren wollen, vor einer weitaus komplizierteren Aufgabe stünden, als die bloße Änderung seiner Struktur, so Anna Wittenberg.

Der Hintergrund: die weitgehende Schulreform soll das 1999 eingeführte Gymnasium abschaffen. Stattdessen wolle die Regierung weitestgehend zum vorherigen System zurückkehren. Der achtjährigen Grundschule würde dann die vierjährige Oberschule folgen. Die Reform soll im kommenden Jahr in Kraft treten. Bis 2019 sollen jegliche Gymnasien geschlossen werden.

POLSKA/THE TIMES: Das Gemeinschaftsgefühl ist abhandengekommen

In einem Gespräch mit der Wochenendausgabe der Tageszeitung Polska/The Times nimmt Artur Balazs, ehemaliger Landwirtschaftsminister und Mitglied von drei polnischen Regierungen Stellung zu der aktuellen Lage auf der politischen Szene. Die Parlamentskrise der letzten Wochen zeigte, dass das Gemeinschaftsgefühl zu einer absoluten Mangelware in Polen geworden sei, meint der Politiker. Beide Seiten des politischen Konflikts spürten kein Bedürfnis danach, mit dem politischen Gegner zusammen zu arbeiten. Auch, wenn es um die für das Funktionieren des Staates wichtigsten Angelegenheit gehe. Die Spaltung werde immer tiefer. Sie sei auch in den Familien spürbar. Viele Polen seien nicht mehr im Stande, miteinander zu diskutieren.

Zwar seien Meinungsverschiedenheiten in der Politik eine Selbstverständlichkeit. Doch es müsse auch Platz für gemeinsame, überparteiliche Staatsinteressen geben. Diese seien in Polen abhandengekommen. Sollte man ein Thema aufzeigen, das die zerstrittenen politischen Lager gemeinsam bearbeiten könnten, wäre das problematisch, sagt Artur Balazs im Gespräch mit der Tageszeitung Polska/The Times.

Kuba Kukla

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