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Ein Jahr der PiS-Macht

PR dla Zagranicy
Jakub Kukla Jakub Kukla 25.10.2016 12:54
Heute vergeht genau ein Jahr seit den Parlamentswahlen und dem darauffolgenden Machtwechsel in Polen. Die konservative Gruppierung Recht und Gerechtigkeit (PiS) löste die Koalition PO-PSL (Bürgerplattform-Bauernpartei) an der Staatsspitze ab.
Beata Szydło (l) und PiS-Chef Jarosław Kaczyński (r) Beata Szydło (l) und PiS-Chef Jarosław Kaczyński (r) Bild: Facebook.com/Prawo i Sprawiedliwość

W SIECI: Mehr in einem Jahr gemacht, als die Vorgänger in acht Jahren

Heute vergeht genau ein Jahr seit den Parlamentswahlen und dem darauffolgenden Machtwechsel in Polen. Die konservative Gruppierung Recht und Gerechtigkeit (PiS) löste die Koalition PO-PSL (Bürgerplattform-Bauernpartei) an der Staatsspitze ab. Der Wahlsieg ermöglichte es den Konservativen, zum ersten Mal seit der Wende 1989 die Macht ohne einen Koalitionspartner auszuüben. In einem Gespräch mit der Wochenzeitschrift wSIECI fasst Polens Präsident Andrzej Duda das erste Jahr der neuen Regierung zusammen. Würde man die letzten zwölf Monate ohne Emotionen betrachten, käme man zu der Ansicht, dass die aktuelle Regierung in einem Jahr mehr erreicht hat, als die Vorgänger in acht Jahren, meint der Politiker.

Früher habe man oft die polnischen Familien sich selbst überlassen. Dies geschah besonders während der Amtszeit der vorherigen Regierungskoalition PO-PSL. Damals zerflossen die öffentlichen Gelder in der Luft, und für reale Hilfe für die Bürger hätten die Mittel nie gereicht. Heute gebe es vor allem das Kindergeld 500+, eine reguläre monatliche finanzielle Unterstützung für jedes zweite und weitere Kind. Wie wichtig das Programm sei, erfahre er bei jedem Treffen mit den Wählern, unterstreicht Präsident Duda. Das Kindergeld sei besonders in kleineren Ortschaften von größter Bedeutung. Dort, wo es an Arbeit fehle und die Löhne viel niedriger seien, als in großen Städten.

Bei der Einlösung der Wahlversprechen müsse man selbstverständlich die Situation der Staatsfinanzen berücksichtigen, sagt Duda weiter. Man müsse das Steuersystem abdichten. Daher bitte er seine Landsleute um Ruhe und Geduld. Man könne nicht alle Pläne auf einmal realisieren, insbesondere wenn es sich um derart anspruchsvolle Vorhaben handle, sagt Andrzej Duda.

Der Präsident nimmt auch Stellung zu der politischen Zukunft des ehemaligen polnischen Premierministers Donald Tusk auf dem Posten des Chefs des Europäischen Rates. Er habe nicht das Gefühl, sagt Duda, dass Tusk seinen Posten als solchen betrachtete, der den polnischen Interessen helfen könnte. Dies bedauere er, sagt der Präsident. Theoretisch sollte sich Tusk zwar wie ein unparteiischer Beamter verhalten. Das Beispiel vieler hochrangiger Unionspolitiker zeige jedoch, dass sie ihre Herkunft in Erinnerung behalten und die Interessen ihrer eigenen Staaten verteidigen, so Polens Präsident Andrzej Duda im Gespräch mit der Wochenzeitschrift wSIECI.

WPROST: Bleibt Tusk in Brüssel?

Tusks Brüsseler Zukunft ist auch ein Thema des Interviews mit Senatsmarschall Adam Bielan von der regierenden Recht und Gerechtigkeit (PiS). Die jetzige Aufgabe von Donald Tusk bestehe darin, die Arbeit von Regierungen der einzelnen EU-Staaten zu koordinieren. Um diese Aufgabe erfüllen zu können, brauche man das Vertrauen der einzelnen Staaten. Insbesondere sei das Vertrauen der eigenen Landsleute wichtig, sagt der PiS-Politiker. Wenn sich aber Donald Tusk kritisch über die Regierung in Warschau ausspricht, könne er nicht erwarten, dass ihm die polnische Regierung Rückendeckung geben wird. Der Vorsitzende des Europäischen Rates sollte wie ein ehrlicher Broker agieren, der die Interessen verschiedener Staaten in Einklang bringt.

Ob Tusk künftig in der polnischen Politik erneut zu einem gefährlichen Gegner werden könnte, weiß Adam Bielan nicht. Ein solches Szenario betrachte er aber als eher unwahrscheinlich. Es entstehe die Frage, ob nach dem bequemen Leben in Brüssel, Donald Tusk die Motivation dazu fände, nach Polen zurückzukehren und hart für eine neue Position in der polnischen Politik zu arbeiten, so Adam Bielan im Gespräch mit der Wochenzeitung Wprost.

NEWSWEEK: Patriot vs. Kosmopolit

Weniger enthusiastisch als der polnische Präsident betrachtet die ersten zwölf Monate der neuen polnischen Regierung der berühmte polnische Schauspieler Jerzy Stuhr. In einem Gespräch mit der Wochenzeitschrift Newsweek sagt Stuhr, was ihn besonders störe, sei der neue Eiserne Vorhang. Die Machthaber würden die Polen hinter einem solchen Vorhang einsperren. Viele Jahre seines Lebens habe er unter einem Komplex gelitten, erinnet sich der Schauspieler. Er wollte um jeden Preis den Vorhang durchbrechen. Er wollte nach Europa, in eine Welt mit der er sich verbunden fühlte. Als seine patriotische Pflicht verstand er es, die polnische Kunst im Ausland zu zeigen. Mrożek in Palermo oder Parma auf die Bühne zu bringen, oder Gombrowicz in Buenos Aires vorzubereiten. Und plötzlich werde diese Einstellung verdächtig. Selbstverständlich versuche keiner, ihm die Arbeit im Ausland zu verbieten. Nun erfahre er aber, dass er kein Patriot sondern ein Kosmopolit sei, der versucht, anderen Nationen zu gefallen, sagt Jerzy Stuhr im Gespräch mit Newsweek.

kk

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