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Streit um die Wortwahl

PR dla Zagranicy
Jakub Kukla Jakub Kukla 22.07.2016 09:31
Polnische Politiker sind sich nicht einig, wie man das Massaker von Wolhynien bezeichnen sollte. Über die emotionsgeladene Diskussion schreibt heute die Presse in Polen.
 Pomnik_27_Wołyńskiej_Dywizji_Piechoty_AK_w_Warszawie_ Pomnik_27_Wołyńskiej_Dywizji_Piechoty_AK_w_Warszawie_Bild: Wikipedia/Szczebrzeszynski

GAZETA WYBORCZA: Explosiv aber berechtigt

Nach dem Beschluss des polnischen Senats von vor ein paar Tagen wollen nun auch die Abgeordneten die Opfer des Massakers von Wohlynien ehren, schreibt die Tageszeitung Gazeta Wyborcza auf der Titelseite. Die Senatoren bezeichneten die Ereignisse von vor 73 Jahren in ihrem Dokument als Völkermord. Für die gleiche Wortwahl plädieren die Abgeordneten der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS). Ein Teil der Opposition kritisiert den vorbereiteten Beschluss, informiert Wyborcza.

Eigentlich sollte der Beschluss am 11. Juli gefasst worden sein. Man habe sich letztendlich für einen späteren Termin entschieden, da zum damaligen Zeitpunkt der ukrainische Präsident Petro Poroschenko zum Nato-Gipfel in Warschau weilte. Man wollte den ukrainischen Politiker nicht reizen, urteilt das Blatt.

Denn seit Jahren protestieren die Ukrainer gegen die Bezeichnung „Völkermord“ in Bezug auf das Massaker von Wohlynien. Daher haben die polnischen Politiker in den letzten Jahren die Bezeichnung „ethnische Säuberungen die den Charakter eines Völkermords aufweisen“ verwendet. Bereits nach dem Senatsbeschluss hat die ukrainische Seite protestiert. Man kritisierte die polnische Seite unter anderem dafür, dass sie die Idee gemeinsamer Gedenkfeierlichkeiten zu den Ereignisse von Wolhynien abgelehnt hatte.

Eine ähnliche Reaktion erwartet der Abgeordnete der Oppositionspartei Bürgerplattform (PO) Marcin Święcicki nach dem Beschluss der Abgeordneten. Die Bezeichnung Völkermord sei explosiv. Sie könnte den Prozess der polnisch-ukrainischen Annäherung in die Luft sprengen. Die Bezeichnung jener Ereignisse als ein Massaker gebe die Grausamkeit der Zeit ausreichend wieder, sagt der Politiker in einem Gespräch mit dem Blatt.

Eine andere Meinung vertritt jedoch MIchał Dworczyk von der Regierungspartei (PiS). Seiner Ansicht nach, sei die Bezeichnung Völkermord berechtigt. Man habe in den beiderseitigen Kontakten das Wort bislang verschwiegen, doch dies tat der historischen Wahrheit nicht Genüge, sagt der Politiker der Tageszeitung Gazeta Wyborcza.

Die Ereignisse vom Juli 1943 werfen bis heute einen tiefen Schatten auf das polnische Verhältnis zur Ukraine. Am 11. Juli haben Verbände der Ukrainischen Aufständischen Armee (UPA) gleichzeitig 167 polnische Dörfer und Siedlungen in Wolhynien angegriffen. In den darauffolgenden Tagen wurden circa 11 Tausend polnische Bürger mit oft furchtbarer Bestialität ermordet. Insgesamt sind in dem Zeitraum von 1943 bis 1944 bis zu 150 Tausend polnische Bewohner zum Opfer der ukrainischen Aufständischen gefallen. Dennoch bestreiten die ukrainischen Politiker die in Polen in Bezug auf das Massaker von Wolhynien verwendete Bezeichnung „Völkermord”.

GAZETA POLSKA CODZIENNIE: Der Brexit als Chance

Die Regierungschefs der Visegrád-Gruppe haben sich gestern in der polnischen Hauptstadt getroffen. Eines der besprochenen Themen war die Zukunft Europas nach dem Austritt Großbritanniens aus der Gemeinschaft. Geht es nach der Tageszeitung Gazeta Polska Codziennie, sei der Brexit aus der Sicht der V4-Staaten eine Gelegenheit zu einem, hier eine Anspielung an das Motto aus dem Wahlkampf der in Polen regierenden Partei, guten Wandel. Bei einer Pressekonferenz äußerte die polnische Regierungschefin die Hoffnung, dass es künftig zu einer Reform kommen werde, die Europa stärkt. Die Union brauche eine Umstrukturierung, damit die Gemeinschaft künftig auf die Meinung der einzelnen souveränen Staaten achtet, sagte Premierministerin Szydło.

Der ungarische Premierminister Viktor Orban sagte dagegen, dass die Visegrád-Staaten in Bezug auf die Struktur der Europäischen Union sich bislang meistens einig waren. So solle es auch bei dem kommenden informellen EU-Gipfel in September in Bratislava sein, berichtet das Blatt. Eine konkrete Vision der EU ohne Großbritannien haben die Politiker jedoch nicht vorgestellt.

RZECZPOSPOLITA: Das Volk gegen Lohnerhöhungen für Politiker

Die Regierungspartei habe diese Woche erkannt, dass es Ideen gibt, die sogar bei den ergebensten Parteibefürwortern keinen Enthusiasmus hervorrufen, schreibt der Publizist Michał Szułdrzyńśki in seinem Kommentar für die Tageszeitung Rzeczpospolita. Am Mittwoch haben Abgeordnete der Regierungspartei einen Gesetzesentwurf vorgestellt, der sichtliche Lohnerhöhungen für Politiker vorsah. Die Regierungspartei wollte sich mit dem Vorschlag befassen, die Opposition, und einen Tag später auch die Presse, haben die Idee aufs Schärfste kritisiert. Die Regierungspartei hat daraufhin den Antrag zurückgenommen, um wenige Stunden später einen verbesserten Gesetzesentwurf vorzustellen, der noch schärfer kritisiert wurde. Letztendlich gab die regierenden Recht und Gerechtigkeit-Partei die Lohnerhöhungen auf, lesen wir.

Die Situation versetzte die Regierenden in die erste Imagekrise seit den gewonnenen Wahlen. Zum ersten Mal habe die Partei eine Idee wegen des Drucks der Öffentlichkeit aufgegeben, meint der Publizist. Das Schlimme daran sei, dass der Vorschlag zumindest was die Vizeminister anbetrifft, ein wichtiges Problem anspreche. Es sei unverständlich, dass Vertreter der Regierung, die millionenschwere Budgets verwalten, weniger verdienen, als Beamte, die ihnen unterstehen. Als eine gute Idee bezeichnet der Publizist auch den Vorschlag eines Einkommens für die Gattin des Staatspräsidenten, die in der jetzigen Situation auf das Geld ihres Ehemannes angewiesen sei. Wie dem auch sei – die Diskussion über jegliche Lohnerhöhungen für Politiker sei vorerst vom Tisch, so Rzeczpospolita.

kk

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