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Kompromiss im Streit um Verfassungsgericht?

PR dla Zagranicy
Joachim Ciecierski 25.05.2016 09:24
Das Brüsseler Ultimatum und der Streit um das polnische Verfassungsgericht ist auch heute eines der wichtigsten Themen in den meisten Tageszeitungen.
Bild: AS

Am Dienstag ist Frans Timmermans, der Erste Vizepräsident der EU-Kommission eigens nach Warschau gereist, um sich persönlich mit Premierministerin Beata Szydło zu treffen. Szydło hat auf einer Pressekonferenz bekanntgegeben, dass sie Timmermans eine Liste von Lösungen vorgestellt habe, die in Kürze im polnischen Parlament verhandelt werden sollen. Die PiS-Partei habe gelernt, Kompromisse einzugehen, so kommentiert die Rzeczpospolita das gestrige Treffen. Redakteur Andrzej Stankiewicz schreibt, dass die Berufung der drei noch von der Bürgerplattform PO nominierten Richter, die offizielle Veröffentlichung der letzten Urteilssprüche des Verfassungsgerichts und der Verzicht auf einige der kontroversen Reformen des Gerichts ein Schritt in die richtige Richtung seien.

Der seit einem halben Jahr dauernde Konflikt um das Verfassungsgericht habe der Regierungspartei mehr Schaden als Nutzen gebracht. Der Druck der EU-Kommission habe sein Übriges getan, um die PiS-Regierung zum Kompromiss zu bewegen, schreibt Andrzej Stankiewicz in der Rzeczpospolita.

Spielt die Regierung ein doppeltes Spiel?

Eine andere Sicht der Dinge hat die linksliberale Tageszeitung Gazeta Wyborcza. Das gestrige Treffen sei keineswegs ein Durchbruch, beide Seiten hätten nur bekanntgegeben, dass weiterhin ein Dialog stattfinde. Die Regierung wolle nur einige der bisher unveröffentlichten Urteilssprüche des Verfassungsgerichts veröffentlichen. Ansonsten habe Premierministerin Szydlo keine konkreten Lösungen vorgeschlagen, schreibt die Kommentatorin Dominika Wielowieyska in der Gazeta Wyborcza.

Die Regierung habe ein doppeltes Spiel gespielt. Einerseits habe sie die EU-Kommission öffentlich scharf angegriffen, um Eindruck auf die eigenen Wähler zu machen. Anderseits habe sie hinter den Kulissen die Kommission mit angeblichen Zugeständnissen besänftigt. Die EU-Kommission habe angesichts der anstehenden Abstimmung über den „Brexit“ ganz andere Probleme und werde wohl nachgeben, der Konflikt um das Verfassungsgericht sei aber keineswegs beendet, kommentiert das Blatt.

Dziennik Gazeta Prawna: Neues Wohnungsprogramm soll vor allem Ärmeren helfen

Die polnische Regierung will bald ihr „Nationales Programm für Wohnungsbau“ vorstellen, berichtet die Zeitung Dziennik Gazeta Prawna. Laut Daten des polnischen Hauptstatistikamtes gebe es hierzulande ein Defizit von knapp 470 Tausend Wohnungen. Vor allem Familien aus den niedrigeren Einkommensschichten ohne Kreditwürdigkeit könnten es sich schlicht nicht leisten, eine eigene Wohnung zu kaufen, schreibt die Wirtschaftswissenschaftlerin Irena Herbst in der Zeitung.

Es würden vor allem Mietwohnungen mit gedeckelten Mietkosten benötigt. Die Wohnungsprogramme der letzten Jahre hätten hingegen vor allem darauf abgezielt, Käufern von Wohnungen zu helfen. Das neue Regierungsprogramm wolle unter anderem die Möglichkeiten des sozialen Wohnungsbaus nutzen, um erschwingliche Mietwohnungen bereitzustellen. Das sei eine gute Entscheidung, schreibt die Dziennik Gazeta Prawna.

Es gebe keinen Zweifel daran, dass dringend etwas getan werden müsse. Laut Eurostat würden 44 Prozent der Polen im Alter von 25-34 noch bei ihren Eltern wohnen, das sei einer der schlechtesten Werte in der EU, lesen wir in der Zeitung Dziennik Gazeta Prawna.

Reform sorgt für Mehreinnahmen

„Śmieciówki“, also befristete Dienstverträge ohne soziale Absicherung und Urlaubsanspruch, gelten in Polen als großes Problem. Viele Arbeitgeber bevorzugten bisher diese zivilrechtlichen Verträge, weil sie die Arbeitskosten senken und die arbeitsrechtlichen Schutzansprüche der Mitarbeiter mindern. Seit Januar dieses Jahres müssen von diesen Verträgen verpflichtend Sozial- und Gesundheitsversicherungsabgaben gezahlt werden, die mindestens auf Grundlage des Mindestlohns berechnet werden.

Bisher habe der öffentliche Haushalt umgerechnet knapp zwölf Millionen Euro im Monat mehr an Gesundheits- und Sozialabgaben eingenommen. In der Hochrechnung auf das ganze Jahr würden die Mehreinnahmen etwa 140 Millionen betragen.

fz


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