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Umkehrung der Allianzen

PR dla Zagranicy
Joachim Ciecierski 16.04.2013 11:50
Die Beziehungen zwischen Deutschland und Frankreich sind kühl, Kanzlerin Merkel sucht die Annährung zu Großbritannien. Was bedeutet das für Polen?

Dziennik Gazeta Prawna: Haben Gewerkschaften ausgedient?


Nur noch 15 Prozent der polnischen Arbeitnehmer gehören einer Gewerkschaft an, berichtet heute die Zeitung Dziennik/Gazeta Prawna unter Berufung auf Statistiken der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD. Das Heimatland der Solidarnosc belegt demnach unter den OECD-Ländern einen der letzten Plätze. Vor zwanzig Jahren sah das noch anders aus: Ein Drittel aller polnischen Arbeitnehmer besaß damals noch den Mitgliedsausweis einer Gewerkschaft. Seitdem ist aber ein fast kontinuierlicher Abwärtstrend zu beobachten.

Der Trend ist hierzulande zwar besonders stark, aber keineswegs nur auf Polen beschränkt. Auch in den meisten anderen Industrienationen laufen den Gewerkschaften die Mitglieder weg, schreibt Dziennik. Und auch die Ursachen sind ähnlich. Die Industrie, also die traditionelle Heimat der Arbeiterbewegung, hat in den letzten Jahrzehnten in den meisten westlichen Staaten an Bedeutung verloren. Dafür ist der Dienstleistungssektor gewachsen, in dem Gewerkschaften nie eine besonders große Rolle gespielt haben, so Dziennik. Die Polen seien außerdem Individualisten, sagt der Soziologe Henryk Domanski. Anders als in Spanien oder Frankreich würden hierzulande nur wenige Menschen an den Sinn von kollektiven Protestaktionen gegen die Regierung oder die Arbeitgeber glauben, so Henryk Domanski in der Zeitung Dziennik Gazeta Prawna.



Rzeczpospolita: Leere Versprechungen in der Familienpolitik

Die Rzeczpospolita nimmt wieder einmal die Familienpolitik unter die Lupe und erhebt schwere Vorwürfe gegen die Regierung. So wie von Premierminister Donald Tusk angekündigt, habe die Regierung das Kindergeld eingeschränkt und Steuervergünstigungen für Familien abgeschafft. Mit Reformen, die Eltern und ihren Kindern helfen sollen, habe es das Kabinett von Premier Tusk aber nicht so eilig, schreibt die Rzeczpospolita. Viele der groß angekündigten Gesetzesprojekte seien entweder verschoben oder de facto aufgegeben worden. Mehr und günstigere Kindergartenplätze – so lautete zum Beispiel eines der Versprechen. Laut der Rzeczpospolita behaupte die Regierung zwar, dass man das Projekt mit einer leichten Verspätung umsetzen wolle, in Wirklichkeit sei aber schon jetzt klar, dass das Geld für den Kita-Ausbau fehle. Auch der einjährige Mutterschaftsurlaub, den Donald Tusk in seinem zweiten Expose angekündigt hat, wird wohl auf sich warten lassen. Eigentlich sollte das entsprechende Gesetz im September diesen Jahres in Kraft treten. Die Regierung habe es aber immer noch nicht verabschiedet, immer häufiger gebe es Informationen über eine Verschiebung, weil das Projekt den Staatshaushalt zu stark belasten würde, so die Rzeczpospolita.

Ähnlich sehe es bei der Wohnungspolitik aus: Ende vergangenen Jahres ist das bisherige staatliche Finanzierungsprogramm für Wohnungskredite ausgelaufen. Ursprünglich sollte schon im Juli ein neues Programm mit besonders günstigen Konditionen für junge Eltern in Kraft treten. Die müssen sich aber noch gedulden, denn das Finanzierungsprogramm wurde auf Anfang 2014 verschoben, schreibt die Tageszeitung Rzeczpospolita.



Rzeczpospolita: Renversement des alliances

Die Rzeczpospolita widmet sich heute auch einem europäischen Thema und analysiert den zweitägigen Besuch des britischen Premierministers David Cameron bei Angela Merkel, der am Wochenende stattgefunden hat. Die herzlichen Gespräche zwischen Merkel und Cameron seien symbolhaft für die Umkehrung der Allianzen, die derzeit in Europa stattfinde, urteilt die Rzeczpospolita.

Jahrzehntelang galt das deutsch-französische Gespann als treibende Kraft in Europa. Das sei nun vorbei, die Beziehungen beider Länder seien auf einem Tiefpunkt. In der Europapolitik vertreten der sozialistische Präsident Frankreichs Francois Hollande und die deutsche Regierung ganz und gar gegensätzliche Positionen. Deutschland drängt auf einen Sparkurs und enthaltsame Fiskalpolitik, Frankreich will die Einführung von Eurobonds, milliardenschwere Wachstumsprogramme und eine Vergemeinschaftlichung der Staatschulden. Angela Merkel sehe in Frankreich keinen Verbündeten mehr, habe aber in Großbritannien bereits Ersatz gefunden. Deutschland wolle sich nicht länger dem britischen Vorhaben, wichtige Entscheidungskompetenzen von Brüssel zurück nach London zu holen, entgegenstellen. London hingegen unterstütze Reformen, die die europäische Wirtschaft elastischer und konkurrenzfähiger machen sollen – für den Großexporteur Deutschland ein besonders wichtiges Anliegen.

Für Polen sei die neue deutsch-britische Allianz aus gleich zwei Gründen vorteilhaft, so der Europaexperte Pawel Swieboda in der Rzeczpospolita. Zum einem werde es immer unwahrscheinlicher, dass die Briten aus der EU austreten. Polen sei an einem Verbleib Großbritanniens sehr gelegen, denn mit keinem anderen EU-Land habe man in so vielen Bereichen gemeinsame Interessen und Ansichten. Zum anderen mache der Zerfall der Achse Berlin-Paris die Bildung eines immer stärker integrierten Kerneuropa der Eurozonen-Länder unwahrscheinlich, so Pawel Swieboda in der Rzeczpospolita.

Autor: Filip Zuchowski
Redaktion: Adam de Nisau

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