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Schwärme statt Kolumnen

PR dla Zagranicy
Adam de Nisau Adam de Nisau 05.04.2013 10:00
Die Zeiten ändern sich. Und wie genau sie sich ändern, das versucht in der aktuellen Ausgabe der Polityka der Publizist Jacek Zakowski zu erfassen.

Polityka: Schwärme statt Kolumnen

Die Zeiten ändern sich. Und wie genau sie sich ändern, das versucht in der aktuellen Ausgabe der Polityka der Publizist Jacek Zakowski zu erfassen. Geht es nach Zakowski, ist Polen mittlerweile, ebenso wie Westeuropa, in der Ära des „fluiden Postmodernismus“ angelangt. Eine besonders treffende Beschreibung dieser Ära, lesen wir, sei in den Werken des Soziologen Zygmunt Bauman zu finden. Bauman vergleiche die Kultur des Postmodernismus mit einem Supermarkt: Werte, Ideen, Identitäten, Lebenshaltungen und Weltanschauungen – der moderne Mensch schlendert in diesem Supermarkt umher und wirft das in den Warenkorb, worauf er gerade Lust hat.
In Polen, dem neben Malta katholischsten Staat Europas, sehe man diese Einstellung am besten am Beispiel von Sex und der Sittlichkeit. So bezeichnen sich 90 Prozent der Polen als Katholiken. Gleichzeitig sprechen sich etwa 70 Prozent für künstliche Befruchtung aus, 50 Prozent sind für legale Euthanasie, fast die Hälfte für legale Abtreibung, über 60 Prozent akzeptieren gemeinsames Wohnen und vorehelichen Sex, über die Hälfte deklariert, dass sie einen homosexuellen Partner des eigenen Kindes genauso, wie einen heterosexuellen behandeln würde und fast 80 Prozent benutzen Kondome.
Noch drastischer seien die Unterschiede zwischen den Überzeugungen der Gläubigen und der Doktrin der Kirche in rein theologischen Fragen. Sogar unter denjenigen, die jeden Sonntag in die Kirche gehen, glauben 15 Prozent nicht an das Jüngste Gericht, 22 Prozent an die Auferstehung, 24 Prozent an Wunder und an das Leben nach dem Tod. An das Leben nach dem Tod – das Fundament der eschatologischen Narration der Kirche – glauben nur 80 Prozent derjenigen, die sich als tief gläubige Katholiken bezeichnen. Gleichzeitig lassen sich Apostasien auf den Fingern einer Hand abzählen.
Denn, so Zakowski weiter, die Polen mögen mit der Kirche nicht übereinstimmen, aber austreten wollen sie auch nicht. Der Pole sei pragmatisch. Einst habe er, als Mitglied der Vereinigten Arbeiterpartei, insgeheim seine Kinder in die Kirche geschickt. Heute gehe er in die Kirche und gebäre außereheliche Kinder, stimme für die Allianz der Demokratischen Linken und sei gegen homosexuelle Ehen oder er sei gleichzeitig für die Recht und Gerechtigkeit PiS und für Verhütungsmittel.
Die Zeiten seien schwierig geworden für die Politiker. Früher habe ihre Wählerschaft eher einer Kolumne geähnelt, mit relativ einheitlichen Überzeugungen und gemeinsamem Weltbild, heute hätten sie es eher mit unstrukturierten Schwärmen zu tun. Ändern könne man diese Realität nicht mehr, daher müsse man sich anpassen. Zum Beispiel, indem man Taubenschläge aufbaue. Vor einigen Jahren, erinnert Zakowski, habe die regierende Bürgerplattform versucht, die politischen Parteien dazu zu zwingen, Think Tanks zu finanzieren und die öffentlich-rechtlichen Medien zu sanieren. Daraus sei nichts geworden.
Eine andere Idee wäre, das Wahlrecht zu ändern. In Zeiten, in denen es immer schwieriger sei, klar Stellung zu beziehen und zu sagen: „Dieser Kandidat ja, der andere nein“, wäre es vielleicht besser, wenn man seine Stimme teilen könnte: Zum Beispiel 60 Prozent für die Bürgerplattform PO, 20 Prozent für die Allianz der Demokratischen Linken SLD und 20 Prozent für die Palikot-Bewegung. Das würde die Sympathien der Wähler viel eher wiedergeben, als entweder-oder-Entscheidungen.
So oder so, auch die politischen Institutionen werde man früher oder später an die neue Realität anpassen müssen. Und früher wäre besser, frei nach Darwins Maxime „passe Dich an, oder stirb“, so Zakowski in der Polityka.

Wprost: Die kriminelle Landkarte Polens

Statistisch gibt es in Polen immer weniger Verbrechen, gleichzeitig werden sie immer brutaler, schreibt in einem Artikel über aktuelle Trends in der Kriminalität das Wochenmagazin Wprost. Laut den neuesten Statistiken bleibt Stettin ein schwarzer Punkt auf der kriminellen Landkarte Polens, die am meisten von Morden bedrohte Region ist Westpommern. Ein neuer Trend ist auch, dass an Straftaten immer häufiger Minderjährige beteiligt sind. Im ostpolnischen Lublin etwa funktionieren organisierte Verbrechergruppen, deren jugendliche Mitglieder unter der Leitung von Erwachsenen (meistens der Eltern) Verbrechen begehen und damit ganzen Familien den Unterhalt sichern. Die wichtigsten Ursachen für die steigende Kriminalität von Minderjährigen sind steigende Arbeitslosigkeit, die sich vertiefende Krise, Demoralisierung. Vor allem jedoch tragen Minderjährige für ihr Vorgehen so gut wie keine strafrechtliche Verantwortung.
Ein Blick auf die kriminelle Landkarte Polens: 2012 sind die meisten Delikte, über 57.000, in Warschau verzeichnet worden – die gefährlichsten Viertel: Zentrum, Wola, und Praga. Auf Platz zwei in dem unrühmlichen Ranking landet Wroclaw mit knapp 34.000 und Krakau mit fast 32.000 Straftaten.

Autor: Adam de Nisau
Redaktion: Joachim Ciecierski

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