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Sollte Polen wegen Obamas Fehltritt beleidigt sein?

PR dla Zagranicy
Joachim Ciecierski 31.05.2012 12:06
Noch immer bestimmt Barack Obamas rhetorische Fehlleistung von Dienstag die Titelseiten polnischer Zeitungen.

GAZETA WYBORCZA – Sollte Polen wegen Obamas Fehltritt beleidigt sein?

Der amerikanische Präsident hatte bei der posthumen Ordensverleihung an den Widerstandskämpfer Jan Karski von „polnischen Todeslagern“ gesprochen, nicht von „nazideutschen“. In der Gazeta Wyborcza lesen wir dazu die grundsätzliche Frage, ob sich die polnische Nation durch Präsident Obama beleidigt fühlen solle. Die Antwort ist provokant: „Das, was Obama am Dienstag gesagt hat, ist sein Problem, nicht das Polens“.

Die präsidialen Worte im Weißen Haus hätten gezeigt, so der Kommentator Paweł Wroński, dass es Obama zum einen an Wissen über den Zweiten Weltkrieg und zum anderen an Feinfühligkeit gegenüber Polen mangele: „Und das belegt die These vieler bekannter ausländischer Politiker; nämlich, dass sich die US-Führung nicht sonderlich für unseren Teil Europas interessiert.“ Insbesondere sei eine Fortentwicklung dieser Tendenz zu erwarten. Junge Leute in den Vereinigten Staaten, so die Befürchtung, würden noch weniger historische Kenntnisse haben als Barack Obama. Die nächste Generation in Amerika könne das Schlagwort „polnische Todeslager“ missverstehen und glauben, die Polen, nicht die Deutschen seien für den Holocaust verantwortlich.

„Die Laudatio Barack Obamas war ein Misserfolg“, so Wroński in Gazeta Wyborcza. Der Fehlschlag wiege insofern schwerer, als die Vereinigten Staaten schon während des Krieges den Konzentrationslagern nicht viel Aufmerksamkeit geschenkt hätten. „Präsident Obama erinnerte daran, dass die Amerikaner während des Krieges nichts gemacht hätten, um die deutsche Todesfabrik zu bremsen.“ Zwar sei kaum zu erwarten, so die Zeitung weiter, dass man Barack Obama belehren könne. Dafür aber könne man etwas für die historische Weiterbildung der Polen tun, auch um das Feuer des Antisemitismus zu löschen. „Denn in diesem Brandherd gebe es faschistische Strömungen, deren Mitglieder manche Politiker gelegentlich als ihre stillen Verbündeten nutzen.“

DZIENNIK/GAZETA PRAWNA – Ordnungsbeamte sollen bald Waffen tragen

Die Zeitung Dziennik/Gazeta Prawna beschäftigt sich kritisch mit den neuen Sicherheitsplänen vieler polnischer Großstädte. Die Bürgermeister von Warschau, Krakau, Danzig und anderen Städten wollen ihre Ordnungshüter von der sogenannten „Straż miejska“ mit Waffen ausrüsten. Die Wachleute, die im Stadtbereich den Straßenverkehr überwachen und Parkgelände kontrollieren, sollen den Plänen nach künftig „policja municypalna“, also Stadtpolizei, heißen und weitere Kompetenzen erhalten. Mit Pistolen ausgerüstet sollen sie künftig Passanten und Autofahrer durchsuchen dürfen, so die Zeitung weiter.

In einem Kommentar bringt Autor Adrzej Andrysiak seine Kritik auf den Punkt: „Es ist wie die griechische Therapie: Das was hier geplant ist, hat keine Wirkung.“ Mit Bezug auf die hoffnungslosen Bemühungen Athens und Brüssels, den hellenischen Schuldenstaat zu sanieren, zieht Andrysiak hier eine Parallele zu der unnötigen Bewaffnung der Ordnungsbeamten der „Straż miejska“. Es sei ein unnötiger Kostenfaktor, da es mit den normalen Polizeibeamten bereits bewaffnete Wachleute gäbe, so Dziennik/Gazeta Prawna. Zudem stelle sich die Frage, wie man die neue Stadtpolizei von ihren Polizeikollegen von der „Policja“ abgrenzen solle. Noch in diesem Jahr sollen die Pläne m Sejm diskutiert werden, schließt Dziennik/Gazeta Prawna.

RZECZPOSPOLITA – Polen als Nehmerland der UEFA

Die Zeitung Rzeczpospolita geht eine Woche vor dem Anpfiff der Fußballeuropameisterschaft 2012 auf die finanzielle Lage des Gastgeberlandes Polen ein. Im Gegensatz zu der EM 2008 in Österreich und in der Schweiz, werde Warschau wohl finanziell kaum von den Spielen profitieren, im Gegenteil. Schuld sei ein Vertrag von 2006, den die UEFA-Spitze mit der damaligen Regierung unter Jarosław Kaczyński ausgehandelt hatte: „Polen hatte darin auf viele Einnahmequellen, wie Sendelizenzen und Marketingrechte […] verzichtet“, so Rzeczpospolita. Die Folge daraus ist, dass kein UEFA-Sponsoringpartner in Polen Steuern zahlt. Nun erwägt die polnische Regierung laut Rzeczpospolita alternative Einnahmequellen.

So hätten Schweiz und Österreich 2008 von jedem Turnierteam 43,5 Millionen Euro Steuern gefordert. Das polnische Finanzamt will jeder Startmannschaft nun 100 Millionen Euro in Rechnung stellen, so zitiert Rzeczpospolita die Pressesprecherin des Finanzministeriums in Warschau. Trotz dieser Gegenmaßnahmen könne es große Verluste geben, deren Höhe dem Finanzministerium allerdings noch unbekannt sei. Laut der Zeitung Rzeczpospolita rechne man mit fehlenden Steuereinnahmen zwischen 5,4 und 9,5 Milliarden Zloty.

Autor: Holger Lühmann

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